Kurz vor einem Gipfeltreffen der EU mit ihren östlichen
Partnern hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Hoffnungen der Ukraine und Georgiens
auf einen Beitritt zur Europäischen Union frustriert. Die
EU-Nachbarschaftspolitik sei kein Instrument zur Erweiterung der EU, so Merkel
im Bundestag. Diese Aussage erscheint vorschnell, unnötig und inhaltlich
einigermaßen apodiktisch. Die deutsche Bundeskanzlerin droht, einen
folgenschweren strategischen Fehler zu begehen, der letztlich wohl einmal
wieder ihrem auf Umfragen verengten Blick geschuldet ist.
Die Ukraine und auch Georgien brauchen eine europäische
Perspektive. Ohne diese Perspektive auf einen EU-Beitritt wird es keine
Reformen geben und auch keinen Frieden, ohne diese Perspektive blieben die
beiden Nationen dauerhaft im erpresserischen Würgegriff Putins und die
Bevölkerungen dieser beiden europäischen Länder würden in einen Abgrund der
Hoffnungslosigkeit gestoßen. Letztlich würde die Bundesregierung mit einer
Absage an die europäischen Ambitionen der Ukraine und Georgiens den
Herrschaftsanspruch Moskaus über souveräne Staaten im Osten Europas zumindest
implizit akzeptieren. Zumindest wäre das die Interpretation des Kremls. Es ist
absehbar, welche Schritte Moskau aus so einer Interpretation der europäischen
Verhältnisse ableiten würde.
Die Politik der europäischen Perspektive für die jungen
Reformdemokratien in der Nachbarschaft der EU darf nicht aufgegeben werden.
Diese Politik wird in Südost-Europa und auf dem westlichen Balkan übrigens seit vielen Jahren praktiziert. Und das durchaus mit
Erfolg. Die Bundesregierung muss also jeden Eindruck vermeiden, doppelte
Standards setzen und die Menschen in der Ukraine und Georgien im Stich lassen
zu wollen. Das europäische Einigungsprojekt steht grundsätzlich allen offen,
welche die heute ohnehin sehr hohen Anforderungen für einen Beitritt erfüllen. Eine
Abkehr von diesem Prinzip bedeutete eine Abkehr von Europa selbst.